13.08.2020 - Gesellschaft

Begleiter der polnischen Sommerzeit

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Wer den Sommer auf dem polnischen Land verbracht hat, konnte gar nicht anders als sie zu bemerken. Sie sitzen auf den Dächern von Häusern, Wiesen und auf Strommasten. Sie sind gerne in der Nähe von Menschen, und wie die Legende sagt, bringen sie die Kinder: Störche sind ein fester Bestandteil der polnischen Landschaft.

Wer kennt sie nicht, die weiß-schwarzen Vögel mit dem charakteristischen roten Schnabel? Im Stehen sind sie um die 80 cm groß, die Flügelspannbreite beträgt ca. 2 m. Die sommerliche Zeit lädt aber vielleicht dazu ein, diese Tiere ein bisschen besser kennenzulernen.

 20200805 120250 1Polen – das Königsreich der Störche

Jeder vierte Storch kommt aus Polen, wie es heißt. Von der ganzen Weltpopulation der Weißstörche mit 166.000 Brutpaaren leben also in der Tat über 40 000 Brutpaare in Polen, und so wundert es nicht, dass diese Vögel neben dem Adler als Wappentier als das Tiersymbol Polens angesehen werden (zum Vergleich: in Deutschland sind es um die 7 000 Brutpaare). Zwischen diesem Land und ihren Überwinterungsquartieren trennen sie bis zu 10 000 km, welche sie zweimal im Jahr bewältigen müssen. Besonders viele nisten im Nordosten Polens. Doch auch in den Woiwodschaften Lodz und Masowien gibt es so viele von ihnen, dass sie wohl die Inspiration für die Namen zweier Dörfer waren, Bociany (dt.: Störche) und Bocian (dt.: Storch). Nahe an der Grenze zu Russland (Kaliningrader Gebiet) in dem Dorf Żywkowo (dt.: Schewecken) gibt es aber die meisten Störche in Polen, man könnte sogar von einem Dorf der Störche sprechen, denn mit ca. 100 von ihnen sind sie im Vergleich zu den etwa 20 Bewohner*innen in der Mehrheit. Dort hat auch die Polnische Gesellschaft für den Schutz der Vögel ihren Sitz, da den Einwohner*innen von Żywkowo das Wohlbefinden dieser Vögel sehr wichtig ist und sie mit dem Projekt Methoden für den Erhalt der Lebensräume und Futterplätze entwickeln.

20200805 120632 1Immer nah beim Menschen

Störchen begegnet man meistens in Agrarlandschaften mit Sumpfgebieten oder Gewässern in der Nähe. Ihre Nester bauen sie oft in Menschennähe, zum Beispiel auf Bäumen, Häusern und auf die Masten von Hochspannungsleitungen (in Polen sind es sogar über 60% der Storchpaare, die auf Strommasten gezählt wurden). Auch da kümmert sich Polen um seine Störche. Energieunternehmen bringen Plattformen an Strommasten an, um die Vögel vor Stromschlägen zu schützen, zu denen es gerade an alten, nicht isolierten Strommasten kommt. Zudem sollen die Klapperstörche auf diese Weise motiviert werden, ihre Nester an sicheren Standorten zu bauen. Der Energiekonzern Energa hat bereits 11 500 solcher Plattformen angebracht.

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Zuhause ist es am schönsten – finden auch die Störche

Ob auf einem Strommast oder auf einem Dach, die Pol*innen freuen sich immer, wenn sie ein Storchennest entdecken und tauschen sich sofort darüber aus, ob da gerade ein erwachsener Vogel oder sogar schon seine Jungen sitzen. In der Tat ist das Verhältnis zu ihren Nestern das Spezifische an den Weißstörchen.

Wenn die Störche gegen Ende März oder im April aus den Überwinterungsgebieten in Ostafrika und auf der Arabischen Halbinsel zurückkehren, beginnen sie ihre alten Nester wieder aufzufrischen oder bauen neue. Die Nester sind für die Störche unfassbar wichtig, unter anderem da die Vögel sich ausschließlich dort paaren, was eher eine Seltenheit in der Vogelwelt ist. Sie behalten ihre aufgebauten Heime über mehrere Jahre und auch über mehrere Generationen. In dem Ort Kościerzyce wurde sogar ein über 100 Jahre altes Nest dokumentiert, das sich auf einer Kirche befindet.
Obwohl das Männchen vorrangig bei dem Bau des Nests engagiert ist, beteiligt sich auch das Weibchen. Es wurde beobachtet, dass die Männchen viele Äste zum Nest bringen und sie an der Seite ablegen, um die Einarbeitung und Dekoration den Weibchen zu überlassen. Das instinktive Bedürfnis Nester zu bauen führt dazu, dass einige der Vögel neben ihrem Nest noch weitere aufbauen. Auch die jungen Störche fangen an zu üben, beenden ihre Nester dann oft aber gar nicht.

20200805 104305Die Brutzeit beginnt in der Regel im April. Die drei bis sechs Eier im Nest werden immer abwechselnd von beiden Elternteilen ausgebrütet. Die Inkubationszeit beträgt 33 bis 34 Tage und nach 60 bis 65 Tagen können die jungen Störche das Nest verlassen. Wann die Vögel wieder in die afrikanischen Überwinterungsquartiere fliegen, ist von der individuellen Brutzeit abhängig, die ersten verlassen Polen ab Mitte August.

Laut einer Studie, die im Norden Polens von der Polnischen Gesellschaft für den Schutz der Vögel in Zusammenarbeit mit der Universität Cambridge und der Universität für Biowissenschaften in Posen durchgeführt wurde, mögen Störche besonders Wiesen mit Kühen, da sie da in ihrer Nahrungssuche  erfolgreicher sind. So haben die Störche auf der Wiese in der Regel eine sechzigprozentige Erfolgsquote bei ihren Jagdversuchen und in der Gesellschaft von Kühen eine neunzigprozentige Erfolgsquote. Zu ihrer Nahrung gehören Amphibien, Nagetiere, insektenfressende Säugetiere wie z.B. Maulwürfe, große Insekten, Fische, Regenwürmer und manchmal Reptilien, Küken oder Vogeleier.

Wenn Sie das nächstes Mal in Polen sind, zählen Sie also die Störche! Am einfachsten ist es Anfang Juli, wenn die Jungen schon in den Nestern stehen, aber noch nicht fliegen können. Und falls Sie am 31. Mai in Polen sein sollten, dann feiern Sie den Tag des Weißstorches mit!       

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