13.04.2022 - Geschichte, Kultur, Gesellschaft , Politik

Die Narzissen-Kampagne – „Die Erinnerung verbindet uns“ am Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto, dem 19. April 2022

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"Hass ist einfach. Liebe erfordert Anstrengung und Opfer" – diese Worte von Marek Edelman erläutern den Begriff der „Liebe“ -  das diesjährige Leitmotiv der „Narzissen-Kampagne“.

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Photo by DPI Bibliothek_Karolina Walczyk-Rosar

Die „Narzissen-Kampagne“ ist ein sozialpädagogisches Projekt, das von dem POLIN-Museum für die Geschichte der polnischen Juden zum Gedenken an den Aufstand im Warschauer Ghetto initiiert wurde. Dieser heldenhafte, wenn auch verzweifelte, Akt des Widerstands ist zu einem Symbol des Kampfes um die Würde geworden, und dennoch ist der Aufstand im Warschauer Ghetto sowohl in Warschau selbst als auch weltweit immer noch viel zu wenig bekannt.

 

Photo by POLIN

Logos for WGUC 2021

 

 

 

 

 

 

Um dies zu ändern und die Erinnerung an den Aufstand zu einem Wert zu machen, der die Identität der Warschauer und das gemeinsame Geschichtsbewusstsein von Polen und Juden mitprägt, verteilen Volontäre am 19. April auf den Straßen Warschaus und anderer Städte in Polen und im Ausland Narzissen aus Papier – ein Symbol des Gedenkens an die Helden des Aufstands von 1943. Das ständige Motto der Aktion – "Die Erinnerung verbindet uns" (Łączy nas pamięć) betont die Kraft der Gemeinschaft, die Bedeutung der Solidarität und die Notwendigkeit des Dialogs über die Grenzen hinweg[1].

 Die „Narzissen-Kampagne“ blüht von Jahr zu Jahr immer üppiger. Immer mehr Organisationen, Kommunalverwaltungen, Universitäten, Schulen, Bibliotheken, Kultureinrichtungen und prominente Persönlichkeiten aus Film, Theater, Sport und Musik in ganz Polen machen mit, indem sie sich an diesem Tag mit einer Narzisse fotografieren lassen oder ihre Social-Media-Accounts mit einem entsprechenden Overlay versehen. 

In diesem Jahr beteiligt sich das Deutsche Polen-Institut in Darmstadt zum ersten Mal an der Aktion.

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Warum Narzissen?

Narzissen symbolisieren Erinnerung, Wertschätzung und Hoffnung. Sie sind mit Marek Edelman, dem letzten Leiter der Jüdischen Kampforganisation verbunden, der diese Blumen von einer anonymen Person an jedem Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto erhielt. Jedes Jahr am 19. April legte er selbst einen Strauß gelber Blumen am Denkmal für die Helden des Ghettos nieder - oft waren es Narzissen. Marek Edelman folgten immer mehr Menschen, die am 19. April mit gelben Blumen zu dem Denkmal kamen. So wurden die Narzissen zu einem Symbol der kollektiven Erinnerung.

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Denkmal der Helden des Ghettos. Photo by DPI_Agnieszka Łada-Konefał

Der Aufstand im Warschauer Ghetto

1940 umschlossen die Deutschen einen Teil der Warschauer Innenstadt mit einer Mauer und drängten fast eine halbe Million Juden aus der Hauptstadt und der Umgebung dorthin. Die im Ghetto Eingesperrten starben an Hunger, Krankheiten, schwerer Arbeit oder wurden bei Hinrichtungen getötet. Im Sommer 1942 wurde eine groß angelegte Liquidierungsaktion durchgeführt. Die Deutschen verschleppten fast 300.000 Juden aus dem Ghetto in das Vernichtungslager Treblinka. Unter denen, die blieben, entstand die Idee des Widerstands.

Am 19. April 1943 drangen zweitausend Deutsche in das Ghetto ein, um es endgültig aufzulösen. Ihnen standen mehrere Hundert junge Leute der im Untergrund agierenden Jüdischen Kampforganisation (ŻOB) und des Jüdischen Militärbundes gegenüber.

Photo by Wikipedia_Stroop Report Warsaw Ghetto Uprising 06b

Stroop Report Warsaw Ghetto Uprising 06b Die Aufständischen, die von Mordechai Anielewicz angeführt wurden, waren erschöpft und schlecht bewaffnet.Vielen war es bewusst, dass sie keine Chance hatten, aber sie entschieden sich im aussichtslosen Kampf zu sterben, um ihre Würde zu bewahren. Vier Wochen lang machten die Deutschen das Ghetto dem Erdboden gleich und brannten Haus für Haus nieder. Gefangene Kämpfer und Einwohner wurden getötet oder in Lager deportiert.  

Am 8. Mai wurden Anielewicz und mehrere Dutzend Aufständische umzingelt und begingen Selbstmord. Einigen Juden gelang es, durch die Kanalisation aus dem brennenden Ghetto zu fliehen. Am 16. Mai sprengten die Deutschen als Zeichen der endgültigen Zerstörung des Warschauer Ghettos die Große Synagoge in der Tłomackie-Straße. Einem Bericht von General Jürgen Stroop an Reichsführer-SS Heinrich Himmler zufolge starben bei der Operation fast 14 Tausend Juden. Der Bericht trug den Titel: "Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr[2]".

„Die diesjährige Narzissen-Kampagne findet zu einer Zeit statt, in der in unserem Teil des Kontinents Menschen wieder sterben - Männer, Frauen und Kinder ermordet werden. Wir wollen, dass unsere Teilnahme an der Kampagne, die unter dem Banner der Liebe stattfindet, auch eine Form der Manifestation unseres Widerstands gegen den Krieg, gegen jede Aggression ist. In Erinnerung an die Worte von Marian Turski, dass Auschwitz nicht vom Himmel gefallen ist, wollen wir uns mit denjenigen solidarisieren, die für ihr Land, ihre Würde und ihre Angehörigen kämpfen.“[3]

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Weitere Quellen (auf Polnisch bzw. Englisch):

Das Programm der Veranstaltungen rund um den Jahrestag des Ghettoaufstands

Akcja Żonkile 2022: program obchodów | Muzeum Historii Żydów Polskich POLIN w Warszawie

Eine Narzisse selber basteln – Anleitung

https://polin.pl/pl/zonkile

Unterrichtsmaterialien

https://polin.pl/pl/akcja-zonkile-w-szkolach-bibliotekach-i-instytucjach-kultury

Über Warschauer Ghetto

https://de.wikipedia.org/wiki/Aufstand_im_Warschauer_Ghetto