23.07.2021 - Gesellschaft , Politik

Polen in den Wahlprogrammen

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Polen ist im Wahlkampf von geringer Relevanz

Der Wahlkampf zur Bundestagswahl im September 2021 läuft in vollen Zügen. Die Wahlprogramme der Parteien legen ihren Schwerpunkt dabei größtenteils auf inländische Politik, doch immer wieder werden auch außenpolitische Themen, Beziehungen zu anderen Ländern sowie Entwicklungen und Geschehnisse im Ausland angesprochen. Doch auf welche Länder wird dabei besonders eingegangen? Und ist Polen auch ein Thema bei der Wahl im kommenden Herbst? Diese Fragen werden im Folgenden beantwortet, indem wir die aktuellen Wahlprogramme der größten Parteien vergleichen, um herauszufinden, inwiefern in den Wahlprogrammen Bezug zu Polen und zu anderen Ländern genommen wird.

Neben Polen wird zum Vergleich auch analysiert, ob auf die Länder Frankreich und Russland eingegangen wird, die wie Polen zu wichtigen Partnern Deutschlands zählen. Hierzu wird das jeweilige Wahlprogramm auf die auf die Begriffe „Polen“ und „polnisch“, „Frankreich“ und „französisch“ sowie „Russland“ und „russisch“ durchsucht und die jeweilige Anzahl der Erwähnungen miteinander verglichen. Hierbei geht es aber nicht nur um die Quantität der Erwähnungen, sondern vielmehr liegt der Fokus auf dem Kontext, in welchem das jeweilige Land erwähnt wird.

Folgende Tabelle zeigt eine Übersicht über die jeweiligen Parteien und ihre Wahlprogramme sowie die Anzahl der Erwähnungen der jeweiligen Länder.

Name der Partei

Seitenanzahl des Wahlprogramms

Erwähnungen „Polen“  „polnisch“

Erwähnungen „Russland“  „russisch“

Erwähnungen „Frankreich“  „französisch“

CDU/CSU

 

140

3

7

5

Bündnis 90/Die Grünen

137

2

10

4

Die Linke

 

168

2

11

0

FDP

 

91

1

13

1

SPD

 

66

0

9

1

AfD

 

210

0

7

3

Quelle: Eigene Zusammenstellung

Die Wahlprogramme variieren in Ihrer Seitenlänge, wodurch zu sehen ist, dass bei Parteien mit einem längeren Wahlprogramm erwartungsgemäß fast immer mehr Erwähnungen zu verzeichnen sind.

Polen

Polen wird gegenüber Frankreich und Russland seltener in den Wahlprogrammen erwähnt. Am häufigsten im Wahlprogramm der CDU/CSU [1](3), darauf folgen Bündnis 90/Die Grünen[2] (2) und Die Linke[3] (2) sowie die FDP[4] (1). Bei der SPD[5] und der AfD[6] wird Polen kein einziges Mal genannt. Hierbei sollte allerdings beachtet werden, dass die SPD mit 60 Seiten mit Abstand das kürzeste Wahlprogramm vorzuweisen hat.

Inhaltlich fällt auf, dass die Partei Bündnis 90/Die Grünen Polen in ihrem Wahlprogramm nur flüchtig im Kontext mit den baltischen Staaten erwähnt. Der Fokus liegt hier speziell auf außen- und sicherheitspolitischen Themen. Die CDU/CSU hingegen geht etwas intensiver und direkter auf Polen ein und spricht speziell die Pflege deutsch-polnischer Beziehungen an („Für uns bleibt die enge Zusammenarbeit und die Pflege der Freundschaft mit Polen eine zentrale Aufgabe deutscher Außenpolitik“) sowie auch einen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur nach Polen (und Tschechien). Weiterhin möchte man auch die Zusammenarbeit innerhalb des Weimarer Dreiecks (Frankreich-Deutschland-Polen), speziell in den Bereichen Jugendarbeit und Städtepartnerschaften, stärken.

Die FDP möchte eine klare Positionierung der Bundesregierung auf einen EU-weiten Schutz von LGBTQ-Rechten. Diesbezüglich werden auch die Probleme in Polen angesprochen, u.a. das Errichten von „angeblichen LGBTQ-freien Zonen“. Die Linke will den linken Feminismus stärken (der Abschnitt im Wahlprogramm heißt „Unser Feminismus: Solidarisch und international“) und spricht damit konkret auch „die sexistischen Strukturen“ in Polen an. Weiterhin erwähnt Die Linke in ihrem Wahlprogramm die besondere historische Pflicht Deutschlands „jeder Art von Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus, Antiziganismus, antimuslimischem und anderem Rassismus und Sexismus entgegenzutreten“. Damit wir u.a. Bezug zu den Verbrechen Deutschlands gegenüber anderen Völkern, darunter auch Polen, genommen.

Russland

Im Vergleich zu Polen wird Russland in den Wahlprogrammen deutlich öfter erwähnt. Bündnis 90/Die Grünen nennen Russland gleich zehnmal in ihrem Wahlprogramm. Die FDP schenkt Russland mit 13 Erwähnungen die größte Aufmerksamkeit aller Parteien. Auf etwas weniger Erwähnungen kommen Die Linke (11) und die SPD (9). Am seltensten wird Russland in den Wahlprogrammen von CDU/CSU und der AfD erwähnt (jeweils 7).

Russland wird von den Parteien in meist ähnlichen Kontexten angesprochen, mit oft ähnlichen aber teils auch unterschiedlichen Ansichten. Die Parteien Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke nennen Russland oft in Verbindung mit China. Mit Ausnahme der Parteien AfD und Die Linke kritisieren alle Parteien die aktuellen politischen Entwicklungen in Russland und fordern eine Aufrechterhaltung der EU-Sanktionen, die gegebenenfalls sogar härter werden sollen. Außerdem werden ein Ende der Gewalt in der Ostukraine sowie ein Beenden der Annexion der Krim gefordert. Nichtsdestotrotz soll der Dialog zu Russland gesucht werden und auf eine Zusammenarbeit in den Bereichen Energie, Umwelt und Klima hingearbeitet werden. Auch ist man sich einig, dass die Zivilgesellschaft in Russland weiter gestärkt und gefördert werden soll. Im Gegensatz dazu, wollen die Parteien Die Linke und die AfD, dass alle Sanktionen aufgehoben und die Beziehungen zu Russland friedlich aufgebaut werden sollen. Die AfD sieht zudem eine Fertigstellung des Pipeline-Projektes Nordstream 2 als essenziell. Andere Parteien wie die FDP und Bündnis 90/Die Grünen stehen dem Projekt hingegen skeptisch gegenüber.

Dass Russland in den Wahlprogrammen viel häufiger als Polen behandelt wird, kann damit begründet werden, dass dort der „Handlungsbedarf“ deutlich größer ist sowie die Beziehungen angespannter sind. Darüber hinaus gehört Russland nicht zur EU und auch nicht zur NATO, wodurch außenpolitisch mehr Themen aufkommen. EU- und NATO-Mitglied Frankreich wird ähnlich wie Polen weniger oft in den Wahlprogrammen der Parteien erwähnt.  

Frankreich

Frankreich wird zwar deutlich seltener als Russland in den Wahlprogrammen genannt, aber trotzdem öfters als Polen. Bündnis 90/Die Grünen (4) und CDU/CSU (5) erwähnen Frankreich in ihren Wahlprogrammen am häufigsten. Darauf folgen die AfD mit 3 Erwähnungen sowie die SPD und die FDP mit jeweils einer Erwähnung. Im Programm der Linken wird Frankreich nicht angesprochen.

Besonders oft wird Frankreich in dem Kontext angesprochen, dass Deutschland sich bei manchen Themen ein Beispiel an Frankreich nehmen soll. Beispielsweise wollen u.a. Bündnis 90/Die Grünen giftige Chemikalien in Alltagsgegenständen nach französischem Vorbild verbieten und die SPD vielfältige Familienmodelle, wie in Frankreich, rechtlich absichern. Weiterhin wird von der CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen auch angesprochen, dass die deutsch-französische Freundschaft und Zusammenarbeit nicht nur gestärkt werden, sondern auch ausgenutzt werden sollte, um u.a. EU-Politik gemeinsam aktiv zu gestalten.

 

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Zusammenfassung

Diese kleine Analyse der Wahlprogramme zur Bundestagswahl 2021 zeigt, dass Polen keine große Rolle für die Parteien bei dieser Wahl spielt und dies, obwohl Polen außenpolitisch einer der wichtigsten Partner Deutschlands ist[7]. Neben Russland und Frankreich widmen sich die Parteien in den Wahlprogrammen noch weiteren Ländern wie z.B. China und den USA. Außenpolitik, speziell Klimaaußenpolitik, ist somit durchaus ein Thema, welches in den Programmen behandelt wird, bei dem Polen für die Parteien aber wohl nur eine Nebenrolle spielt. Weiterhin fällt auf, dass für Russlands Politik von mehreren Parteien Sanktionen gefordert werden, doch Themen in Polen, bei denen es „Handlungsbedarf“ gibt, wie z.B. der Unabhängigkeit der Justiz oder der Rechte von sexuellen Minderheiten, werden kaum bis gar nicht angesprochen.



[1] Vgl. „Das Programm für Stabilität und Erneuerung gemeinsam für ein modernes Deutschland“, verfügbar unter https://www.cdu.de/dokumente

[2] Vgl. https://www.gruene.de/artikel/wahlprogramm-zur-bundestagswahl-2021

[3] Vgl. https://www.die-linke.de/wahlen/wahlprogramm-2021/

[4] Vgl. https://www.fdp.de/programm2021

[5] Vgl. https://www.spd.de/zukunftsprogramm/

[6] Vgl. https://www.afd.de/wahlprogramm/

[7] Vgl. https://www.welt.de/politik/ausland/article231333715/Aussenpolitik-Der-wichtigste-Partner-Deutschlands-muesste-Polen-heissen.html