23.09.2024 - Gesellschaft , Kultur, Über Bücher
Kaluzas Pflichtlektüren: Kennen Sie Krzysztof Zanussi?
Sie denken an den italienischen Küchengerätehersteller? Fast richtig! Anfang des 20. Jahrhunderts kam ein Spross dieser Familie nach Warschau und blieb dort für immer. 1939 kam Krzysztof zur Welt, kurz bevor der 2. Weltkrieg begann. Sein Vater war Bauingenieur, er wünschte sich einen ähnlich handfesten Beruf für seinen Sohn, der zunächst Physik, dann Philosophie studierte, um schließlich auf die Filmakademie in Lodz zu wechseln. Sein Name steht neben Agnieszka Holland und Krzysztof Kieślowski für das polnische „Kino der moralischen Unruhe“, das in den 1970er Jahren unbequeme Fragen an das von der Erfolgspropaganda verwöhnte polnische Establishment (bestehend aus Parteifunktionären, Wissenschaftlern, Kirchenvertretern und zahlreichen Mitläufern) stellte. Seine Filme wie die „Struktur des Kristalls“ (1969) oder „Die Tarnfarben“ (1976) wurden zu Ikonen dieser Filmrichtung und feierten Erfolge nicht nur auf einschlägigen Festivals. Zanussi drehte auch in Deutschland einige Fernsehfilme (z.B. „Die Versuchung“, 1981), allerdings dürfte sein Name heute hierzulande etwas angestaubt sein. Ganz anders in Polen. Auch wenn der Altmeister nur noch selten Regie führt (wie zuletzt bei „Ether“, 2018), so ist er ein gefragter Zeitgenosse, eine konservative Autorität, der in Medien und Öffentlichkeit präsent ist.
Anders als der Mainstream der Medien und Intellektuellen ist Zanussi seinen konservativen Ideen (nicht gleichzusetzen mit der PiS!) stets treu geblieben. Dies betrifft sein Bekenntnis zum katholischen Glauben, zur Ehe (er ist immer noch mit seiner ersten Frau Elżbieta verheiratet), aber auch skeptisch gegenüber „modernen“ gesellschaftlichen Entwicklungen wie Feminismus oder eingetragene Lebenspartnerschaften.
Privat war über ihn bisher wenig bekannt, nun lässt er einen Einblick in sein Leben in einem neuen Buch gewähren, das sich mit seiner Person „durch die ihn umgebenden Gegenstände“ befasst. In „Zanussi przez przedmioty“ (Zanussi durch Gegenstände, Czeladź 2024) erfahren wir etwas über Sachen, die für Zanussi und seine Frau von Bedeutung sind, ihn seit Jahrzehnten begleiten. Und er lässt sich gerne über die inszenierte Innenarchitektur seines fabelhaften Hauses am Rande des Urwalds in der Nähe Warschaus definieren. Das betrifft sein Domizil in Laski wie auch zwei Stadtwohnungen in Warschau und Paris.
Die Autorin des Bildbandes, die Lyrikerin und Journalistin Barbara Gruszka-Zych, meint in ihrem Nachwort, ein solch intimes Buch entstehe nicht durch zufällige Begegnungen. Die Erzählung über eine Person „durch Gegenstände“, die sie umgeben, beruhe auf langer Bekanntschaft, Vertrautheit, ja Freundschaft. Gruszka-Zych kennt Zanussi und seine Frau seit 35 Jahren, vor einiger Zeit gab sie ein Buch mit Gesprächen mit den beiden heraus. Dabei ist die Idee entstanden, Zanussi in einem Bildband mit geliebten Gegenständen kennen zu lernen und seine liebgewonnene Umgebung sprechen zu lassen. Dabei geht es bei weitem nicht um eine Art „Stillleben“, denn sein Haus kennt viele Gäste und Mitbewohner. Eine große Rolle spielen dabei sechs Hunde und zwei Katzen, die einen großen Garten als Auslauf in Anspruch nehmen.
Eine Erzählung über Gegenstände wäre nur halb so spannend, wenn man diese nicht auch gleich sehen könnte. Die Bilder zu dem opulenten Band besorgte Grzegorz Lityński, ein erfahrener Fotograf, Hochschuldozent und Globetrotter erster Sahne. Das Buch lebt von den dunklen, keinesfalls bedrückenden Farben der häuslichen Umgebung Zanussis, meisterhaft inszeniert durch Lityńskis Kamera. Dabei grenzt seine unaufdringliche Art an Perfektion, einige „by the way“-Porträts gehören in den Pantheon der polnischen Fotografie der Gegenwart (siehe S. 76, 92, 165, 229).
Zurück zu den Gegenständen. Selbstverständlich finden wir hier Zanussis Film-Auszeichnungen und -Preise aus der ganzen Welt, klar, dass Mitbringsel aus fünf Kontinenten eine Rolle spielen wie Schachfiguren aus Afrika oder kostbare Teppiche aus dem Mittleren Osten, am meisten beeindrucken aber das großartige Zusammenspiel der Innenarchitektur mit Wandfarben, Möbeln, Treppen, Spiegeln – anspruchsvolle Arrangements seiner Frau Elżbieta. Sie, selber Künstlerin, mochte ihm eine schöne Umgebung gewähren, „weil er sie einfach verdiene“. Da ihre Familie adeliger Herkunft ist, war sie immer wieder bemüht, Überbleibsel früherer familiärer Besitzstände zu sichern. Viel davon ist nicht geblieben, da die Residenz der Familie in Podolien bereits nach dem Ersten Weltkrieg und der Revolution in Russland verloren ging, ein Stadthaus im Zentrum Warschaus wurde zerstört im Aufstand 1944, übrig blieben nur kunstvoll gestaltete Torscharniere, die aus einem Altmetalllager gerettet wurden. Für Zanussi, der nur wenig aus dem Fundus seiner Vorfahren retten konnte, haben die Familienschätze seiner Frau einen unschätzbaren Wert.
Ein großartiger Bildband mit einem geistreichen Gegenstände-Essay und großartigen Bildern, man langweilt sich keinen Augenblick! Dabei beeindruckt die Bescheidenheit des Hauptprotagonisten, der sich oft nur hinter Anekdoten versteckt, peinlich darauf achtend, nicht zu stark in den Vordergrund zu treten. Meisterhaft sind seine Kommentare zu den einzelnen Bildern, jeweils 2-3 Sätze, die sitzen. Ein Satz mehr wäre falsch am Platz. Das Buch – ein Muss für jeden Filmliebhaber und Zanussi-Fan!