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Der Aufruf (aus 2017)

Es gibt kaum eine polnische Familie, die nicht betroffen war und ist von der deutschen Besatzungsherrschaft von 1939-1945. In Deutschland ist dieses barbarische Unrecht nur unzureichend bekannt. Auf den Geheimpakt mit der Sowjetunion zur Aufteilung Polens am 23. August 1939 folgte am 1. September der deutsche Überfall auf Polen. Er war von massiven Kriegsverbrechen begleitet, Massenerschießungen von Kriegsgefangenen und Zivilisten, gezielte Ermordung Zehntausender der polnischen Eliten durch Einsatzkommandos der Polizei und SS, Zerstörung Hunderter polnischer Städte und Dörfer durch die deutsche Wehrmacht. Millionen polnischer Frauen und Männer wurden zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich verschleppt. In deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden wurden Millionen Juden ermordet, davon drei Millionen polnische Staatsbürger. Weitere drei Millionen nichtjüdischer Polen wurden ebenfalls Opfer deutscher Verbrechen. Vor dem Rückzug der deutschen Truppen 1944/45 wurde die Hauptstadt Warschau dem Erdboden gleich gemacht.

 

Der Zweite Weltkrieg begann mit der Bombardierung der polnischen Kleinstadt Wieluń durch die Luftwaffe der Wehrmacht am 1. September 1939 um 4:40 Uhr. (Quelle: Muzeum Ziemi Wieluńskiej / PL).

Verdienen diese unsäglich großen Opfer, Leiden und Erniedrigungen der Polen durch die verbrecherische deutsche Besatzung nicht ein eigenes Zeichen des Gedenkens in der Mitte unserer Hauptstadt?

Ein  Denkmal für die polnischen Opfer der deutschen Besatzung 1939-1945  ist seit langem ein gemeinsames Anliegen vieler sich um Verständigung und Versöhnung bemühender Deutscher und Polen. Es war ein Herzensanliegen Władysław Bartoszewskis, des 2015 verstorbenen Auschwitz-Überlebenden  und Schirmherrn deutsch-polnischer Versöhnung. Erst jüngst hat in Berlin der Kabinettschef des polnischen Präsidenten einen Ort vermisst, um einen Kranz niederzulegen. Das von der DDR in Friedrichshain errichtete »Denkmal des polnischen Soldaten und des deutschen Antifaschisten« entspricht in seiner künstlerischen und politischen Aussage diesem Anliegen nicht.

 Gegenüber dem künftigen Dokumentationszentrum der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung im Deutschlandhaus am Askanischen Platz befindet sich eine öffentliche Grünfläche, die sich für die Errichtung eines Polen-Denkmals in besonderer Weise eignet. Sie bietet Platz für ein in die Höhe strebendes, weithin sichtbares Gedenkzeichen in der politisch-symbolischen Mitte der deutschen Hauptstadt. Diese reicht vom Reichstag mit dem sowjetischen Ehrenmal zum Brandenburger Tor mit dem Holocaust-Mahnmal und den Opferdenkmälern im Tiergarten, von den Vertretungen der Bundesländer zu den Mauer-Resten am Potsdamer Platz, vom Bundesrat am Leipziger Platz zum Abgeordnetenhaus, schließlich zur Topographie des Terrors und dem Askanischen Platz mit der Kriegsruine des Anhalter Bahnhofs und dem Dokumentationszentrum der deutschen, polnischen und europäischen Geschichte von Flucht und Vertreibung und deren Ursachen und Folgen.

Mit einem würdigen Polen-Denkmal am Askanischen Platz würde ein deutsch-polnisches Zeichen gesetzt, das Krieg, Vernichtung, Flucht, Vertreibung und Versöhnung in den untrennbaren Zusammenhang von Ursache und Wirkung stellt. So kann auch der Streit um das Dokumentationszentrum beendet werden als Voraussetzung einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Polen in der historischen Aufarbeitung des Krieges und seiner Folgen.

Das Ziel einer deutsch-polnischen Aussöhnung vergleichbar der gelungenen deutsch-französischen Freundschaft bleibt bisher unerreicht. Frankreich wurde selbst von der NS-Diktatur noch als Nation respektiert. Polen sollte als Nation vernichtet werden. Nur wenn das nicht vergessen und unser zweiter großer Nachbar Polen heute als Nation in seiner ganzen Würde und Freiheit geachtet wird, kann aus Nachbarschaft Freundschaft werden.

Dem gilt es ein Zeichen zu setzen.

Berlin, 15. November 2017

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