
Erinnerung auf Polnisch
Texte zu Theorie und Praxis des sozialen Gedächtnisses
Deutsch-Polnische Erinnerungsorte, Bd. 5
Inhalt
Schon einige Jahre bevor Maurice Halbwachs in den 1920er Jahren sein epochales Werk über das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen veröffentlichte, legte ein anderer Durkheim-Schüler, der Pole Stefan Czarnowski, seine ersten Texte zur Erinnerungskultur vor. Seine Überlegungen zur Präsenz von Geschichte in der Gegenwart stehen am Anfang einer polnischen Beschäftigung mit dem kollektiven Gedächtnis, die auch angesichts der Erfahrungen Polens im 20. Jahrhundert ganz eigene Bahnen einschlug und im Westen kaum rezipiert worden ist. Die Anthologie vereint klassische Texte zu Geschichtsbewusstsein und Geschichtskultur, aber auch aktuelle Untersuchungen zu Geschichtspolitik und Erinnerungsorten.
Wir ändern unaufhörlich unsere Beziehung zur Vergangenheit, indem wir unablässig an ihrer Transformation arbeiten, daran, dass sie zur Gegenwart werde. Die Vergangenheit überdauert nämlich nur als Gegenwart, die Gegenwart indessen ist transformierte, aktualisierte Vergangenheit wie auch im Werden begriffene Zukunft. Stefan Czarnowski (1938)
Das Werk ist Teil der Reihe "Deutsch-Polnische Erinnerungsorte" und erscheint in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften
Informationen zum Gesamtwerk: http://www.schoeningh.de/katalog/reihe/deutsch_polnische_erinnerungso.html
Inhaltsverzeichnis
Erinnern auf Polnisch. Theorie und Praxis
Zur Einführung diskutieren Robert Traba und Peter Oliver Loew
I »Lebendige Geschichte«. Der polnische Beitrag zur Theorie der Erinnerungskultur
Stefan Czarnowski: Vergangenheit und Gegenwart in der Kultur
Stanisław Ossowsk: Das kulturelle Erbe einer sozialen Gruppe und seine äußeren Korrelate
Nina Assorodobraj: „Lebendige Geschichte“. Das Geschichtsbewusstsein, seine Erscheinungsformen und die Methoden ihrer Erforschung
Jerzy Szacki: Tradition
Anna Sawisz: Die Übermittlung des Gedächtnisses der Vergangenheit
Andrzej Szpociński: Die gesellschaftliche Funktion von Symbolen
Joanna Kurczewska: Lokale Gemeinschaften und kollektives Gedächtnis
Marek Ziółkowski: Die vier Funktionen eines restituierten Gedächtnisses
Elżbieta Tarkowska: Das Verhältnis der Polen zur Zeit – global und lokal betrachtet
Jerzy Topolski: Der Begriff des Geschichtsbewusstseins
Jerzy Maternicki: Die Motive des historischen Interesses
Jan Pomorski: Die „gesellschaftliche Funktion von Geschichte“ – Analyse von Bedeutungskontexten des Begriffs
Barbara Skarga: Die Identität des Ichs
II Erinnerung im Streit
Tazbir Janusz: Der Kampf mit den Denkmälern und um die Denkmäler
Feliks Tych: Der Holocaust im allgemeinen Bewusstsein der Polen. Zustand und Bildungsziele
Elżbieta Hałas: Öffentliche Symbole und polnische Identität. Wandel und Uneindeutigkeit im Kalender der staatlichen Feiertage in der Dritten Republik
Robert Traba: Symbole der Erinnerung: Der Zweite Weltkrieg im kollektiven Bewusstsein der Polen. Eine Skizze
Barbara Szacka: Der Zweite Weltkrieg – Erinnerung und Gedenken
Kaja Kaźmierska: Der Aufbau autobiografischer Stegreiferzählungen über die Kriegserfahrung am Beispiel einer Analyse von „Kresy“-Narrationen
Marek Czyżewski: „Repatriierte“ und Vertriebene. Wechselseitige Vorurteile in autobiografischen Berichten
Andrzej Paczkowski: Agenten und Denkmäler. Die kommunistische Vergangenheit in Polen
Anhang
Zu den Autoren und Herausgebern
Personenregister
Rezensionen
"Es wäre erfreulich, wenn der Band zu einer weiteren Verbreitung dieser theoretischen und methodologischen Angebote beitragen könnte. Das einleitende Gespräch, die beigefügten Biogramme und die gelegentlichen Anmerkungen der Übersetzer helfen dabei, auch weniger mit den polnischen Kontexten vertrauten Leser_innen deren Erschließung zu ermöglichen."
Martin Munke, in: Portal für Politikwissenschaft
"Eine gelungene Einführung bietet das am Beginn des Bandes stehende Gespräch zwischen Robert Traba und Peter Oliver Loew (Band 5, S. 9-38), in dem nicht nur die Kriterien der Textauswahl erläutert werden, sondern auch in die spezifische Forschungstradition und ihre Geschichte eingeführt wird. Diese in einem Zeitraum von gut siebzig Jahren entstandenen Texte in Form von Übersetzungen einem deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen, ist überaus verdienstvoll und nicht nur für Erinnerungsforscher, sondern auch für Soziologen und Wissenschaftshistoriker von Interesse."