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STANISŁAW LEM Technologie und Ethik

Inhalt

Ein Lesebuch.
Herausgegeben von Jerzy Jarzebski.
Übersetzt von Friedrich Griese, Jens Reuter, Caesar Rymarowicz, Hubert Schumann, Klaus Staemmler und I. Zimmermann-Göllheim.
1990. 419 S. Ln. (3-518-40239-0).


Stanisław Lem gilt als "kalter" Schriftsteller, als Phantast technologischer Megalomanien, der die Menschen und deren Probleme lediglich auf dem Hintergrund des technisch Möglichen zeichnet. Ethische Probleme jedenfalls scheinen im Universum dieses orthodoxen Rationalisten ohne Stellenwert oder doch weitgehend ausgeblendet.
Diese Sicht trügt. Gewiss bietet die Ethik bei Lem keine Lösungen und griffigen Formeln; aber sie ist lebensnotwendig und stellt damit, weil den Sinn des menschlichen Daseins und die Semantik der Kultur begründend, gewissermaßen eine nie abreißende Sorge des Gelehrten oder des Konstrukteurs dar.

Inhaltsverzeichnis

Die Gripsonik, das Fachgebiet von Tiuxtl, befaßte sich nicht etwa damit, den Gripsern moralische Prinzipien einzubleuen, sondern war die Kunst, der Ethik eine Verkörperung in der Physik zu verschaffen. Schon die allerersten Projektanten der Ethosphäre, die sogenannten Gründerväter, hatten diese Notwendigkeit begriffen. Das größte Gebrechen aller moralischen Kodizes ist die Unverhältnismäßigkeit der Vergehen, die Fragen folgender Art aufwirft: Was ist schlimmer eine Waise bestehlen, einen Greis malträtieren oder einen Priester mit einer Reliquie verprügeln. Die Ethosphäre sollte also kein Psychologe oder Erzieher sein, weder Aufpasser noch Kontrolleur, auch kein unsichtbarer Schlichter oder Polizist, vor allem aber sollte sie nicht Partei sein, mit der man über die Zulässigkeit seiner Taten diskutieren oder streiten konnte. Eine solche Kuratel nämlich wäre in ihrer Allgegenwart unerträglich gewesen. Daher äußert sich die Fähigkeit der Ethosphäre, das Böse zu absorbieren, ausschließlich als physikalische Eigenschaft.

Rezensionen

">Über Ethik habe ich nie etwas gelesen<: dieses erstaunliche Bekenntnis hat Stanisław Lem einmal in einem Interview abgelegt. Weshalb solle dann eine Sammlung Lem'scher Texte ausgerechnet unter der Unterschrift >Technologie und Ethik< erscheinen dürfen? [...] Jerzy Jarzębski, Herausgeber der klug zusammengestellten Anthologie, begründet in seinem Nachwort überzeugend die Wahl des Buchtitels. [...] Die Sammlung präsentiert Lem als einen Autor, der sich virtuos einer ganzen Palette literarischer Formen zu bedienen vermag."
Michael Mertes, Frankfurter Allgemeine Zeitung