bingendie destruktion

Band Nr. 24

Die Destruktion des Dialogs

Zur innenpolitischen Instrumentalisierung negativer Fremdbilder und Feindbilder. Polen, Tschechien, Deutschland und die Niederlande im Vergleich 1900 bis heute.

Inhalt

Gerade in den deutsch-polnischen Beziehungen kehrten negative Fremd- und Feindbilder zu Beginn des neuen Jahrtausends mit einer am Anfang der 1990er Jahre nicht mehr für vorstellbar gehaltenen Intensität in den politischen Diskurs zurück. Anstelle der Suche nach einem gemeinsamen verantwortlichen Umgang mit der Geschichte beobachten wir eine Rückkehr zu Nationenbildern und Emotionen, die wir in dieser Form seit zwei Jahrzehnten überwunden glaubten.
Der vorliegende Tagungsband beleuchtet nicht nur die aktuellen Geschehnisse, sondern geht auch in zweifacher Hinsicht vergleichend vor: zum einen diachron durch den Rückblick auf die unterschiedlichen Epochen und politischen Systeme des 20. Jahrhunderts, und zum anderen synchron, indem auch das Verhältnis zwischen Deutschen und Tschechen sowie zwischen Deutschland und den Niederlanden in die Betrachtung einbezogen wird, um herauszufinden, ob es in diesen bilateralen Beziehungen im Laufe der letzten Jahrzehnte ebenfalls zu einer vergleichbaren innenpolitischen Instrumentalisierung und Destruktion des Dialogs gekommen ist.
Zwei Leitfragen stehen im Vordergrund. Erstens: "Lohnt(e) sich" die negative Instrumentalisierung bilateraler Beziehungen, die Destruktion des Dialogs, für die destruierenden Akteure? Erreichten sie ihre kurzfristigen Ziele, und welche mittel- und längerfristigen Folgen hat(te) ihr Tun? Und zweitens: Gibt es Möglichkeiten, die Kette immerfort neuer Instrumentalisierungen von Fremd- und Feindbildern zu durchbrechen?

Dieter Bingen ist Direktor des Deutschen Polen-Instituts Darmstadt
Peter Oliver Loew ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Polen-Institut Darmstadt
Kazimierz Wóycicki ist Leiter der Abteilung Stettin des Polnischen Instituts des Nationalen Gedenkens

 

Inhaltsverzeichnis

Dieter Bingen, Peter Oliver Loew, Kazimierz Wóycicki: Einleitung (9-11)


Zugänge zum Thema

Josef Berghold: Feindbilder aus der Sicht der politischen Psychologie (15-22)

Małgorzata Bogaczyk: Spuren des Anderen. Eine philosophische Antwort auf eine politische Frage (23-32)


Historische Wurzeln

Szymon Rudnicki: Dmowskis Haltung zu den Deutschen und Deutschland (35-48)

Ingo Loose: Feindbild Preußen – Deutschland? Inklusions- und Exklusionsprozesse
in den Anfangsjahren der Zweiten Polnischen Republik am Beispiel
der Region Wielkopolska, 1918-1925 (49-65)

Andrzej Michalczyk: Deutsche und polnische Nationalisierungspolitiken in Oberschlesien
zwischen den Weltkriegen. Ein Vergleich auf Makro- und Mikroebene (66-82)


Vergleichsfall Tschechien: Historische Verwicklungen

Markus Krzoska: Frieden durch Trennung oder Beherrschung? Deutsche und Tschechen in
Böhmen zwischen 1897 und 1920 (85-96)

Kristina Kaiserová: Tschechisch-deutsche negative Fremd- und Feindbilder im konfessionellen
Bereich, 1900-1938 (97-102)

Martin J. Wein: Jüdisch-tschechischer Gedäachtnistransfer im Schatten Deutschlands und Polens (103-113)

Miroslav KunŠtát: Fremd- und Feindbilder der Deutschen in der tschechischen
innenpolitischen Instrumentalisierung nach 1989 (114-128)


Der Zweite Weltkrieg und die Folgen

Piotr Madajczyk: Die Rolle antideutscher Instrumentalisierungen in Polen, 1944-1989 (131-145)

Christian Lotz: Das (Re-) Arrangieren von Feindbildern im geteilten Deutschland,
in Polen und Bulgarien in der unmittelbaren Nachkriegszeit, 1945-1952 (146-161)

Joanna Wawrzyniak: Kriegsgeschichten. Juden als Deutsche in Polen, 1967-1968 (162-175)

Klaus-Peter Friedrich: Erinnerungspolitische Legitimierungen des Opferstatus Zur
Instrumentalisierung fragwürdiger Opferzahlen in Geschichtsbildern vom
Zweiten Weltkrieg in Polen und Deutschland (176-191)


Vergleichsfall Niederlande: Die Entinstrumentalisierung der Feindbilder

Jacco Pekelder: Die Anerkennung der DDR als Messlatte für Progressivität. Die innenpolitische Instrumentalisierung des komplizierten Dreiecksverhältnisses Niederlande – Bundesrepublik – DDR in den 1960er und 1970er Jahren (195-210)

Beatrice de Graaf: Das Niederlande-Bild der DDR. Paradoxe der Entspannungspolitik in den
1970er und 1980er Jahren (211-228)


Nach 1989: Aufbruch in neue Zeiten?
Feindbilder in der polnischen und deutschen Politik

Anna Wolff-Powęska: Alte und neue Flecken auf dem Bild des Nachbarn in der polnischen Politik (231-246)

Agnieszka Stępińska: Das Fremd- und Feindbild in polnischen Wahlkampagnen (247-263)

Piotr H. Kosicki: Polen und Deutschland Die Wahlen 2005 und die Wandlungen in der
politischen Instrumentalisierung der Aggressor-Opfer-Problematik (264-272)

Artur Lipiński: Das Phänomen der Kommunisten nach dem Kommunismus – die rechte
Konstruktion eines linken Feindes in Polen nach 1989 (273–291)

Stefan Garsztecki: Das Deutschlandbild im polnischen Europadiskurs: Rückkehr eines
Feindbildes? (292-308)

Piotr Forecki: Das Bild des Feindes im Anti-EU-Diskurs der Zeitschrift Szczerbiec (309-327)

Peter Oliver Loew: Ein Polenbild der deutschen Rechten? Inhalte – Funktionen – Gefahren (328-341)


Nach 1989: Politische und gesellschaftliche Entwicklungen

Bernadette Jonda: Anfällig oder eher resistent? Ausgewählte Einstellungen von Jugendlichen
in Polen und Deutschland unter dem Einfluss von Politik und Medien (345-359)

Klaus Bachmann, Anna Skwarek: „Die da oben in Brüssel“. Die Instrumentalisierung der Außenpolitik am Beispiel populistischer Parteien in Polen und den Niederlanden (LPR und LPF) (360-370)

Peter Gostmann: Fensteröffner – Sendungsbewusste – Grenzposten. Eine Typologie zur
Repräsentation Europas und verschiedener europäischer Nationen im kulturellen Gedächtnis polnischer Parlamentarier (371-387)

Justyna Woźna: Die Instrumentalisierung eines Negativbildes am Beispiel des ausländischen
Kapitals in der polnischen Presse (388-397)


Ausgewählte Diskussionsbeiträge (398-422)

Zu den Autoren (423-428)

Personenregister  (429-433)

Rezensionen

Die Diskussion über die EU-Verfassung hat auch die Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschland und Polen an den Tag gelegt. Entstehen wieder die alten Fremd- und Feindbilder, weil beispielsweise Polen um seine Interessen zu vertreten auch bei der Argumentation in die Geschichte zurückgreift? Ein aktuell erschienenes Buch geht auf "Die Destruktion des Dialogs" ein.
SWR International, 25.6.2007

The extensive volume published in the outstanding series of Deutsches Polen-Institut, Darmstadt (DPI) is declared an answer to the question of historical preconditions of newest developments in the field of Polish-German dialogue. The editors rightly notice the backlash of negative national stereotypes in public discourse of both countries as well as the general change of the language of politics particulary in Poland. (...) the volume (...) gives a wide perspective ot the Polish (to the lesser extent also German, Czech and Dutch) problematic dealing with "otherness" in its most critical moments. (...)
Maciej Górny in: H-Soz-u-Kult vom 15.8.2007 [Zur vollständigen Rezension]

"Interessant sind (...) neben vielen bereits hinlänglich bekannten und gefestigten Deutungen diejenigen Befunde, die verdeutlichen, dass die auf der Makroebene erzeugten und gut funktionierenden Feindbilder den auf der Mikroebene existierenden wechselseitigen Wahrnehmungen durchaus nicht entsprechen müssen. (...)
Den Band schließen ausgewählte, sehr lesenswerte Diskussionsbeiträge deutscher und polnischer Konferenzteilnehmer ab. Ein deutlicher, wohl durchaus beabsichtigter Hinweis darauf, dass die Destruktion des Dialogs in der Tat nur durch seine intensive Wiederbelebung behoben werden kann."
Z[bigniew] W[ilkiewicz], in: Aktuelle Ostinformationen 2007, H. 3/4, S. 89-93.

"Wenn man sich fundiert mit den bestehenden deutsch-polnischen Problemen auseinandersetzen will, bekommt man mit dem Buch 'Die Destruktion des Dialogs' eine sehr gute Informationsquelle."
Agnieszka Rzek, in: Polen und wir 1/2008, S. 17.

"In 27 Beiträgen werden in Polen, Tschechien und den Niederlanden bestehende negative Deutschlandbilder untersucht [...]. Nicht wenigen Autoren ist anzumerken, daß sie ehrlich nach Möglichkeiten suchen, die Kette immerfort neuer Instrumentalisierungen von Fremd- und Feindbildern zu durchbrechen."
Helmut Neubach, in: Das Historisch-Politische Buch, 2008

"Der Tagungsband kann als Aufruf gegen eine instrumentalisierte 'Destruktion des Dialogs' gelten und nimmt weder die Herrschenden noch jeden einzelnen aus der Verantwortung, der gegenseitigen Entfremdung entgegenzutreten."
J.W., in: Zeitschrift für Politikwissenschaft online, 1.4.2008

"Das Konzept (...) des Buches greift dabei zeitlich und räumlich weit aus. Zum einen werden die historischen Wurzeln bis ins 19. Jahrhundert verfolgt, zum anderen werden Tschechien und die Niederlande als 'Vergleichsfälle' herangezogen. In einem großen Bogen sollen also die Konstruktionsmechanismen von negativen Fremdbildern, ihre Muster und Akteure, ihre gesellschaftliche Resonanz sowie ihre Bedeutung für die kollektive (meist nationale) Identitätsbildung in den Blick genommen werden."
Stephan Scholz, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas57 (2009), H. 3, S. 465-467, zugleich in www.oei-dokumente.de
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