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6.10.2014 , 19:30 Uhr

Die vergessene Front. Der Erste Weltkrieg im Osten

Karolinensaal im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt, Karolinenplatz 3, Eintritt frei

Veranstalter: Deutsches Polen-Institut

Öffentlicher Vortrag von Prof. Dr. Włodzimierz Borodziej (Universität Warschau)

Der Erste Weltkrieg begann im Sommer 1914. Daran erinnern heute zahlreiche historische Werke, populäre Publikationen, Ausstellungen und Fernsehdokumentationen. Aber sie sind überwiegend auf den Westen fokussiert, auf den „Stellungskrieg“ in Flandern und Nordfrankreich, bei dem der „moderne“ – industrielle und massenhafte – Charakter des Krieges zum Vorschein kam.

Dagegen haben wir nur eine vage Vorstellung von den Kampfhandlungen im „Osten“. Dabei gab es dort mehrere Fronten, die in vergleichbaren Zeiträumen „nicht nur proportional gesehen mehr Opfer forderten“ als der Stellungskrieg im Westen (W. Borodziej). Während z.B. die erschreckenden Opferzahlen der Schlacht an der Somme im öffentlichen Diskurs wahrgenommen und in das offizielle Gedenken eingeschlossen werden, ist kaum bekannt, dass die österreichische Armee allein in der Stellungsschlacht in den Karpaten 1914-15 mehr als 800.000 Soldaten verlor. Und auch der berüchtigte Gaskrieg begann nicht bei Ypern im April 1915, sondern wurde von deutschen Truppen drei Monate früher in Mittelpolen an russischen Soldaten ausprobiert.

Unterschiede in der Wahrnehmung des Krieges zwischen Ost und West lassen sich auch in dessen Beurteilung feststellen. „Der Große Krieg“ beendete in den Augen der Engländer, Franzosen und Deutschen das lange 19. Jahrhundert und gilt zugleich als die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ mit ihren Folgen Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus. Dagegen ist eine solche Sicht im „Osten“ meist fremd, denn 1918 entstand dort jenes neue Europa, das mit einer Vielzahl unabhängiger Staaten die europäische Landkarte bis heute prägt.

Prof. Dr. Włodzimierz Borodziej ist Professor am Historischen Institut der Universität Warschau und Co-Direktor des Imre-Kertész-Kollegs der Universität Jena. Er ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Polen-Instituts.