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Foto: P. Mazur / MCK

24.05.2013 , 19:00 — 21:00 Uhr

Verleihung des Karl-Dedecius-Preises an Jakub Ekier und Bernhard Hartmann

Międzynarodowe Centrum Kultury (International Culture Centre), Kraków, Rynek Główny 25

In Zusammenarbeit mit der Robert Bosch Stiftung und dem International Culture Centre, Kraków

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Die Robert Bosch Stiftung zeichnet 2013 zum sechsten Mal exzellente polnische und deutsche Übersetzer aus. Dieses Jahr geht der Karl-Dedecius-Preis an Jakub Ekier und Bernhard Hartmann. Eine deutsch-polnische Jury unter dem Ehrenvorsitz von Karl Dedecius wählte die beiden Übersetzer aus und würdigte ihre herausragenden Leistungen sowie ihre Vermittlungsarbeit zwischen den Nachbarländern. Der Preis ist mit jeweils 10.000 Euro dotiert und wird abwechselnd in Deutschland und Polen verliehen. Die diesjährige Preisverleihung findet am 24. Mai 2013 im International Culture Centre Krakau statt. Veranstalter ist das Deutsche Polen-Institut.

Der Preis wurde bereits 1981 von Karl Dedecius, dem Nestor der Übersetzer polnischer Literatur und verdienten Vermittler zwischen Deutschland und Polen, und der Robert Bosch Stiftung als Preis für polnische Übersetzer ins Leben gerufen. 1992 kam ein Förderpreis hinzu, seit 2003 wird er als Doppelpreis für polnische und deutsche Übersetzer verliehen.

Jakub Ekier, geb. 1961, studierte Germanistik in Warschau und war danach als Verlagslektor tätig. Seit 2001 lebt er als freier Schriftsteller und Übersetzer in Warschau. Seine Lyrik-Übersetzungen (u.a. von Reiner Kunze, Bertolt Brecht, Paul Celan, Ilse Aichinger) zeichnen sich durch hohe Sensibilität dem Original gegenüber und einen künstlerischen Anspruch an die eigene Arbeit gleichermaßen aus. Ekier ist auch Roman-Übersetzer. Dank seiner Arbeit erschienen in Polen zwei Werke von Daniel Kehlmann, ferner Ferdinand von Schirachs „Verbrechen“ (2011); 2008 erschien seine neue Übersetzung von Franz Kafkas „Der Prozess“. Ekier machte sich auch als Essay-Übersetzer einen Namen: Er übertrug Helmut Böttigers „Orte Paul Celans“ (2001), Durs Grünbeins „Vulkan und Gedicht“ (2010) sowie „Tagebücher 1946−1949“ von Max Frisch (2013). Ekier ist selbst Autor von drei Gedichtbänden sowie vielen literaturkritischen Aufsätzen. Seit 1994 arbeitet er mit der Kulturzeitschrift „Literatura na Świecie“ (Weltliteratur) zusammen.

Bernhard Hartmann, geb. 1972, studierte Polonistik und Germanistik in Mainz und Potsdam. Danach arbeitete er als Lehrbeauftragter und wiss. Mitarbeiter an den Slawistischen Instituten in Potsdam, Berlin (HU), Erfurt, Wien und Bochum. Seit 2001 ist er Übersetzer von literarischen und geisteswissenschaftlichen Texten aus dem Polnischen, seit 2011 als freiberuflicher Übersetzer tätig. Hartmann übersetzt Lyrik, u. a. von Tadeusz Różewicz: „Und sei´s auch nur im Traum. Gedichte 1998-2008 (2012), Julia Hartwig: „Und alles wird erinnert. Gedichte 2001-2011“ (2013), Adam Zagajewski, Tomasz Różycki und Artur Szlosarek. Zu seinen Übersetzungen zählen zudem Prosawerke von Hanna Krall und Lidia Amejko, Essays und Theaterstücke. Der Jury imponierten seine philologisch exakten und zugleich ausdrucks- wie stilsicheren Übersetzungen. In allen seinen Arbeiten erfüllt er dabei den an sich selbst gestellten Anspruch, dass eine gute literarische Übersetzung ein Kunstwerk sein sollte, das für sich selbst bestehen muss.

Bericht: Die Verleihung des Karl-Dedecius-Preises 2013

Der gut gefüllte Saal im Internationalen Kulturzentrum am Krakauer Ring war gespannt: Auf der Bühne standen merkwürdige Gerätschaften, die wohl irgendetwas mit der Verleihung des Karl-Dedecius-Preises zu tun haben würden. Bald schon löste sich das Rätsel: Die Gruppe „Małe Instrumenty“ trat zum Vorschein – und betätigte sich an „kleinen Instrumenten“, denn dies bedeutet der polnische Name. Wahrhaft winzige Klaviere, kleine Saiteninstrumente, wunderliche Xylopohone und viele weitere Absurditäten erzeugten ein erstaunliches Klangbild voller Zwischentöne, das bestens zum Anlass passte. Denn literarische Übersetzer mühen sich in ihrem Tun auch nach Kräften, die Zwischentöne des Originals einzufangen.
Prof. Jacek Purchla, Hausherr des Kulturzentrums, begrüßte die Gäste, indem er an die vielfältigen Beziehungen zwischen dem Deutschen Polen-Institut und seinem Haus hinwies, das eigentlich auf eine Anregung Karl Dedecius‘ hin zu Beginn der 1990er Jahre entstand. Der Namenspatron des Preises konnte aufgrund seines fortgeschrittenen Alters nicht nach Polen kommen, schrieb jedoch ein Grußwort, das verlesen wurde und in dem er bedauerte, nicht in die „Stadt meiner humanistischen Neugierde und Sympathien“ reisen zu können.
Anschließend ergriff Dr. Kurt W. Liedtke das Wort, der Vorsitzende des Kuratoriums der Robert Bosch Stiftung, die den Karl-Dedecius-Preis seit zehn Jahren fördert. Auch er blickte zunächst zurück und berichtete über das lange, schon fast 40 Jahre währende Engagement der Stiftung für die Förderung der deutsch-polnischen Beziehungen. Nur einige Jahre weniger hat sich die Stiftung für die Übersetzung polnischer Literatur engagiert – indem sie gemeinsam mit Karl Dedecius und dem Deutschen Polen-Institut die Reihe „Polnische Bibliothek“ aus der Taufe hob. Auch Übersetzerpreise werden seit gut 20 Jahren gefördert und sind nach wie vor zentraler Bestandteil des Förderprofils, denn: „Ohne Überwindung der Sprachbarrieren sind alle Anstrengungen zur Völkerverständigung erschwert, teilweise sogar unmöglich.“

Für das Deutsche Polen-Institut trat Direktor Prof. Dr. Dieter Bingen ans Rednerpult und hieß zunächst innezuhalten: Er gedachte dreier hervorragender Literaturübersetzer aus dem Polnischen, die in den letzten Monaten gestorben sind – Doreen Daume, Friedrich Griese und Albrecht Lempp. Anschließend stellte er die aktuellen Preisträger vor. Jakub Ekier, geboren 1961 in Warschau, habe mit seinen Übersetzungen und Essays „wesentlich zu der polnischen Rezeption der Gedichte von Reiner Kunze“ beigetragen, mit dem er auch persönlich befreundet sei. Bingen würdigte auch weitere Übersetzungen Ekiers von Lyrik (Celan, Aichinger u.a.) und Prosa (Kehlmann, Frisch, Kafka u.a.). Auch Bernhard Hartmann hat sich intensiv mit Lyrik auseinandergesetzt und sein Übersetzerdasein als Zusammenwirken von „Einsiedlerischem“ und „Weltzugewandtem“ bezeichnet. Bingen schilderte den Lebenslauf des 1972 in der Eifel Geborenen, der über einen Schüleraustausch ersten Kontakt nach Polen bekam, Polonistik studierte und nach verschiedenen akademischen Tätigkeiten nun ausschließlich als Übersetzer lebt. Seine Übertragungen von Gedichten Tadeusz Różewiczs, Julia Hartwigs und anderer gaben den Ausschlag für die Zuerkennung des Preises. Bingen zitierte das Verdikt der Jury, dass Hartmann in allen Arbeiten „den an sich selbst gestellten Anspruch (erfüllt), dass eine gute literarische Übersetzung ein Kunstwerk sein soll, das für sich bestehen kann.“
Sichtlich gerührt nahmen die beiden Geehrten aus den Händen Liedtkes und Bingens die Auszeichnung entgegen und hatten dann bei einem musikalischen Intermezzo der „Kleinen Instrumente“ Gelegenheit, über das bisher Gesagte zu kontemplieren.

Reiner Kunze, der Laudator Jakub Ekiers, konnte nicht persönlich nach Krakau kommen, seine Laudatio verlas die Moderatorin des Abends Małgorzata Zacharko in deutscher und polnischer Sprache. Kunze hob die Freundschaft hervor, die ihn mit Jakub Ekier verbinde, und nannte dies „eines der kostbarsten Geschenke“, die ihm als Autor hätten zuteilwerden können. Er nannte Ekier einen „hochsensiblen und skrupulös gewissenhaften Nachdichter“ und erinnerte an die detaillierten Faxbriefe, die ihm der Übersetzer immer wieder mit zahlreichen Fragen zu seinen Gedichten zugeschickt habe. Obwohl das gelegentlich anstrengend sei, habe er diese Detailverliebtheit doch viel lieber als schlechte Übersetzerei.

Adam Zagajewski, der bedeutende Krakauer Dichter, hielt anschließend die Laudatio auf Bernhard Hartmann. Nachdem er eingangs die Bedeutung von Karl Dedecius gerühmt und die Bedeutung der Übersetzer überhaupt hervorgehoben hatte, schwenkte er urplötzlich auf Hartmann um: „Bernhard Hartmann ist heute wie ein junger Prinz, der in die Fußstapfen seiner königlichen Vorfahren tritt.“ Es sei sicherlich nicht einfach, es diesen Großen der Zunft gleichzutun, doch habe der Preisträger mit seinen Übertragungen von Barockepen und zeitgenössischer Lyrik, Essays und Prosa hier schon viel geleistet.

Nun endlich waren die Geehrten selbst an der Reihe. Der stille und bescheidene Jakub Ekier nahm die Gelegenheit zum Anlass für eine überraschende Metapher: Der Übersetzer sei so etwas wie „der Fahrdienstleiter“ des Gedankenverkehrs, er müsse einem mehrdeutigen Original eine Deutung geben, also Rezeptionsweichen stellen und gelegentlich auch eine Umleitung anordnen. Ekier hob die vielen verschiedenen Helfer hervor, die diese Tätigkeit fördern – neben dem Darmstädter Institut auch die Robert Bosch Stiftung –, aber auch seine vielen Fachberater für sprachliche Spezialprobleme, „von der Anwältin für Strafrecht über den Nervenarzt bis zum Zauberkünstler“ und schließlich seine Mutter, die ihm in schwierigen Zeiten die deutsche Literatur nahebrachte.

Bernhard Hartmann ließ einen bittersüßen Ton erklingen, als er zu Beginn seiner Dankesrede an die Äußerung über einen seiner Bekannten erinnerte, der seit längerem arbeitslos war: „In seiner Not nennt er sich jetzt Übersetzer.“ Er habe sich davon jedoch nicht abschrecken lassen, wobei eine Begegnung mit Tadeusz Różewicz das Schlüsselereignis gewesen sei, schließlich habe der Dichter dem damals noch beginnenden Übersetzer „sorglos“ einen zentralen Text seines Spätwerks zur Übersetzung überlassen. Doch nicht nur offensichtliche Glanzlichter reizen ihn, sondern er lasse sich auch gerne auf das Randständige ein: „Mitunter sind es (…) gerade die auf den ersten Blick wenig attraktiven Texte, die mir im Laufe der Arbeit ans Herz wachsen“. Dennoch sei es manchmal eben auch mühsam und er komme sich vor „wie ein Fuhrmann, der mit seinem Eselskarren über die Brücke zwischen den Sprachen und Kulturen holpert“.

Am Ende hatten wieder die „kleinen Instrumente“ das Wort und übersetzten Musik in Geräusche, Geräusche in Musik. In zwei Jahren in Darmstadt steht die nächste Verleihung des Karl-Dedecius-Preises für deutsche und polnische Übersetzer an, mit neuen Konstellationen und neuen Übersetzern, die ihre Eselkarren ziehen oder sich als Fahrdienstleiter betätigen.

Dr. Peter Oliver Loew