24.04.2023 - Gesellschaft , Politik

Der Wahltermin und die Logik der Regierungspartei

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Die Parlamentswahlen in Polen werden im Herbst 2023 stattfinden. Das genaue Datum ist noch nicht bekannt, aber es ist klar, dass die Wahl auf einen von vier möglichen Terminen gelegt wird, wobei nach heutigem Stand der 15. Oktober am wahrscheinlichsten ist.

Mögliche Optionen

Der rechtliche Rahmen für die Festlegung des Termins der Parlamentswahlen ist in der polnischen Verfassung geregelt. Dort heißt es: „Die Wahlen zum Sejm und zum Senat werden vom Präsidenten der Republik Polen spätestens 90 Tage vor Ablauf von vier Jahren ab dem Beginn der Amtszeit des Sejm und des Senats angeordnet, wobei die Wahlen an einem arbeitsfreien Tag, der innerhalb von 30 Tagen vor dem Ablauf von vier Jahren ab dem Beginn der Amtszeit des Sejm und des Senats liegt, abgehalten werden“.

Die aktuelle Legislaturperiode endet am 12. November 2023. Das heißt, dass die diesjährigen Wahlen an einem von vier Terminen (jeweils arbeitsfreien Sonntagen) stattfinden können: in Frage kommen der 15., der 22. Und der 29. Oktober sowie der 5. November. Viel deutet darauf hin, dass Staatspräsident Andrzej Duda den Termin zum spätestmöglichen Zeitpunkt bekannt geben wird, also wohl erst im August, um der Opposition die Planung des Wahlkampfes zu erschweren.

Präferenzen der Regierungspartei

Die Termine 29. Oktober und 5. November werden in Polen als wenig geeignet angesehen, da am 1. November in der Katholischen Kirche Allerheiligen und am 2. November Allerseelen begangen wird und daher viele Polen an diesen Wochenenden im ganzen Land die Gräber ihrer Verwandten besuchen. Im November könnte zudem das schlechte Wetter Wähler davon abhalten, zur Wahlurne zu gehen. Das alles kann die Wahlbeteiligung negativ beeinflussen. Da es in Polen keine allgemeine Briefwahl gibt, spielen solche Argumente durchaus eine Rolle.

Viel wichtiger ist aber bei den kommenden Wahlen eine andere Koinzidenz. Am Sonntag, 15. Oktober 2023, wird in der Katholischen Kirche in Polen der Papst-Tag gefeiert. Dieser Tag wird jährlich am Sonntag vor dem Jahrestag der Wahl  von Kardinal Wojtyła zum Papst am 16. Oktober 1978begangen  Der Tag ist jedes Jahr seit 2001 ein mediales Großereignis, das von zahlreichen Veranstaltungen und Rückblicken auf die Person Johannes Paul II. geprägt ist. Gerade 2023 ist der Papst ein Politikum geworden, da der private TV-Sender TVN, der sich klar gegen die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) positioniert, einen Dokumentarfilm gezeigt hat, demzufolge Karol Wojtyła in seiner Zeit als Bischof von Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern durch einzelne Priester zwar Kenntnis hatte, letztlich aber sie nicht bestraft hätte. Die PiS-Regierung interpretierte den Film als Angriff auf den Papst und inszenierte sich als dessen Verteidiger. Die Wahlen an dem Papst-Tag könnten, nach dieser Logik, der Partei helfen, noch einige katholisch-konservativen Wähler in der letzten Sekunde zu mobilisieren. Deshalb teilen viele Kommentatoren die Meinung, dass die PiS (und der Präsident stammt aus dieser Partei) dieses Datum präferieren wird.

Auch 2024 wird in Polen gewählt

Mit den Parlamentswahlen im Herbst wird der Wahlkampf aber noch nicht zu Ende sein. Nach den Parlamentswahlen stehen dann die Kommunalwahlen an. Die Amtszeit der Kommunalparlamente wurde vom Sejm auf PiS-Antrag hin bis zum 30. April 2024 verlängert. Eigentlich hätten die nächsten Kommunalwahlen (wybory samorządowe; wörtlich: Selbstverwaltungswahlen) turnusmäßig im Herbst 2023 stattfinden sollen. Demnach wären diese Wahlen unmittelbar vor den Parlamentswahlen abgehalten worden. Da die Opposition in den Kommunalwahlen vor allem in den Großstädten gute Chancen auf einen Wahlsieg hat, befürchete die PiS Kritikern zufolge, ein solches Szenario könnte der Opposition kurz vor den Parlamentswahlen einen entscheidenden Schub verleihen und einen Regierungswechsel einleiten. Deshalb hat die PiS die Kommunalwahlen per Gesetz auf Frühling 2024 verschoben. Die Partei argumentiert, dass die Organisation von zwei Wahlen in solch einem kurzen Abstand die Verwaltung überfordern würde. Juristen haben das Gesetz als rechtwidrig eingestuft, trotzdem ist es in Kraft getreten. Das bedeutet, dass die Kommunalwahlen nach dem 31. März und spätestens am 23. April stattfinden müssen. Der Präsident hat die Wahl zwischen drei Terminen: 7., 14. und 21. April. Und im Mai 2024 finden in Polen, wie auch in der gesamten EU, die Europawahlen statt. Das hier eine terminliche Nähe zwischen den Wahlen besteht, stört die PiS hingegen nicht.